All die Arbeit – die getippten Wörter, das Brüten über dem Plot, die Diskussionen mit den eigenen Figuren – zahlt sich im Autor*innenleben aus, wenn wir endlich das – mit einem lachenden und einem weinenden Augen – ersehnte Wort unter das Manuskript setzen können: Ende. Teilweise hat uns das Projekt mehrere Jahre in Anspruch genommen, wir haben es verworfen, neu überdacht und irgendwann wieder aufgenommen. Nun ist die Rohfassung beendet, die Geschichte erzählt. Doch was kommt danach? Ist das „Buch“ nun fertig, nur weil es die Rohfassung ist?
Die Rohfassung ist bezwungen: Feiern und Auszeit gönnen
Zuerst einmal müssen wir uns selbst zu unserem Erfolg beglückwünschen – und auch andere dürfen das natürlich gerne tun, vor allem Autor*innen, die genau wissen, was wir durchgemacht haben. An der Rohfassung scheitern nicht wenige Schreiberlinge, die es nicht über die ersten Seiten einer Geschichte hinausschaffen, bevor sie eine neue Idee überfällt. Wir alle kennen sie, die grausamen Plotbunnys, die keine Rücksicht auf unsere Pläne nehmen. Doch wir haben sie und uns selbst bezwungen und gezeigt, das wir eine Rohfassung zu Ende schreiben können. Wie lange hat es bei euch von der Idee, übers Schreiben bis zur ersten Fassung gedauert? Ich stehe selbst kurz vor dem Ende von „Monuks Fluch“ und es wird die vierte Rohfassung sein, die ich beende. Wenn ich daran zurückdenke, wann ich zu dieser Geschichte inspiriert worden bin … Nun, sagen wir mal, es ist viel Zeit gegangen, bis ich mich weit genug entwickelt habe, dieses Projekt anzugehen!
Nun heißt es, zurücklehnen und Pause machen. Nein, nicht etwa eine Pause vom Schreiben oder dem Autor*innenleben. Auch das ist natürlich möglich, aber ich meine hier eine Pause von diesem konkreten Schreibprojekt. Die Frage aus der Einleitung lässt sich nämlich bereits an dieser Stelle ganz klar beantworten: Nein, eine beendete Rohfassung macht noch kein fertiges Buch. Es kommt noch eine ganze Menge Arbeit auf uns zu. Und damit wir nicht mehr selbst so tief in das Projekt, seine Charaktere, die Verstrickungen der Handlung und die Welt, involviert sind, brauchen wir Distanz. Die schaffen wir am besten dadurch, dass wir uns eine emotionale Auszeit davon gönnen. Wir müssen uns vom Manuskript lösen, um einen distanzierten Blick darauf zu erlangen.
Jeder arbeitet anders
Natürlich gibt es auch Autor*innen, die ganz anders vorgehen und direkt mit dem Projekt weiterarbeiten. Da kommt es auch immer ein bisschen darauf an, welche Deadline wir haben oder wie wir am besten arbeiten können. Jeder muss also für sich selbst entscheiden – und manchmal kann eine Pause auch dazu verleiten, das vielversprechende Manuskript zu einer Schubladenleiche verkommen zu lassen. Wer also Angst hat, sich später nicht mehr aufraffen oder für das Projekt begeistern zu können, findet den für sich besten Weg.
Eine Rohfassung ist noch kein fertiges Buch: Die Überarbeitung
Der Schritt nach dem Schreiben lautet: Überarbeiten. Und damit ist keine ungesunde Work-Life-Balance gemeint (wobei diese durchaus im Arbeitsprozess entstehen kann), sondern die Nachbearbeitung des Manuskripts. Ob wir nun vorher geplottet haben oder nicht, es finden sich meistens Lücken im Manuskript oder Szenen, die im Nachhinein umgeschrieben werden müssen, das konsistente Verhalten der Figuren wird überprüft, Logikfehler werden beseitigt und die gröbsten Tippfehler bereinigt. Autor*innen, die eher kurz schreiben, fügen Umgebungsbeschreibungen und das Drumherum dazu, langatmige Passagen müssen gekürzt werden.
Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen.
Mark Twain
Manche Autor*innen überarbeiten nicht gerne, sondern schreiben lieber im Flow. Dabei können wir so viel aus der Überarbeitung lernen! Wenn wir feststellen, dass wir immer wieder denselben Fehler begangen haben, der uns beim Schreiben nicht aufgefallen ist, sondern erst in der Überarbeitung, werden wir ihn in der nächsten Rohfassung definitiv seltener machen. Wir lernen quasi etwas über unseren eigenen Stil, können ihn verfeinern und ausbessern, wo wir es für möglich halten. Keine Rohfassung ist perfekt – aber mit jeder überarbeiteten Rohfassung wird die nächste besser. Vielen hilft es dabei übrigens, das Manuskript ausgedruckt vor sich liegen zu haben. So wird der Text noch einmal ganz anders wahrgenommen als am Bildschirm.
Wenige schreiben, wie ein Architekt baut, der zuvor einen Plan entworfen und bis ins einzelne durchdacht hat; vielmehr die meisten nur so, wie man Domino spielt.
Arthur Schopenhauer
Gemeinsam auf Fehlersuche: Das kostbare Feedback von Testleser*innen
Nach dem ersten oder zweiten intensiven Überarbeitungsdurchgang empfiehlt es sich, Testleser*innen mit ins Boot zu holen. Wie distanziert wir uns auch von unseren Projekten geben mögen, wir sind immer noch die Autor*innen und werden niemals völlig eine Perspektive als Leser*innen einnehmen können. Außerdem liest jeder Mensch anders und auch das spätere Publikum wird sich aus einer bunt gemischten Leserschaft zusammensetzen.
Die Testleser*innenrunde sollte gut vorbereitet sein: Von der Suche über die Betreuung bis hin zum Feedback. Engagierte Testleser*innen sind sehr kostbar und wir machen es ihnen einfacher, wenn wir konkret kommunizieren, worauf sie achten sollen. Dafür bietet sich ein Fragebogen an, den sie Punkt für Punkt abarbeiten können. Damit die Testleser*innen dranbleiben, hilft es manchmal auch, das Manuskript zu teilen und für jeden Teil eine Art Deadline zu setzen. Auch der Austausch untereinander fördert die Motivation und bringt neue Aspekte zum Vorschein. Testleser*innen, auf die wir uns verlassen können, erleichtern auch die Suche bei zukünftigen Projekten. So können wir uns nach und nach einen kleinen Stamm an Testleser*innen aufbauen, sofern diese Zeit und Lust haben, mitzumachen.
Tipps zur Überarbeitung
Jeder geht anders an die Überarbeitung ran, aber neben dem Abstand zur Geschichte gibt es einige hilfreiche Punkte.
- Vorher einen Plan machen, worauf in welchem Überarbeitungsschritt geachtet werden soll, was nach auf der To-Do-Liste steht und wie das Zeitmanagement aussieht.
- Den ersten Durchgang nicht den Schreibfehlern widmen, da sich das Manuskript ohnehin noch in der Formung befindet und sich verändern wird.
- Das Manuskript ausdrucken und/ oder laut vorlesen.
- Eine Liste mit offenen Fragen führen und diese kapitelweise abhaken. Hilfreich ist auch ein Infogramm aus Leser*innensicht: Was erfahren die Leser*innen zu welchem Zeitpunkt? So fällt schneller auf, wenn sich im Text auf Dinge bezogen wird, die noch gar nicht bekannt sind.
- Notizen aus dem Plotting und den Vorüberlegungen mit einbeziehen. Wenn vorher nicht geplottet worden ist: Jetzt Notizen machen.
- Kapitelweise vorgehen.
- Sich (wenn möglich) Zeit lassen, denn wie das Schreiben benötigt auch das Überarbeiten seine Zeit.
- Kritisch mit sich und seinem Schreiben umgehen. Aber auch: stolz auf das Geschaffte sein!
- Den eigenen Weg oder die eigene Methode zum Überarbeiten finden, die für sich selbst am besten funktioniert.
- Über Lektorat und/ oder Korrektorat informieren.
There are three rules for writing a novel. Unfortunately, no one knows what they are.
W. Somerset Maugham
Auf der Suche nach Ideen, wie ihr die fertige Rohfassung gebührend feiern könnt?